Gabrielle Goodman

“Travelin‘ Light“

Fast fühlte ich mich versucht, wie die Zeitschrift Stern auf ihrer letzten Seite zu fragen „was macht eigentlich … Gabrielle Goodman?“ Auf alle Fälle ist es sehr schön, dass diese CD von ihr aus dem Jahre 1993 wiederveröffentlicht wurde. Da im Moment Sänger im Jazzbereich über alles angesagt sind, macht es durchaus Sinn, diese hervorragende Sängerin großer klanglicher Vielfalt wieder oder neu zu entdecken. Die Besetzung der CD spricht für sich, das Repertoire ebenfalls. Gabrielle Goodman spezialisiert sich nicht auf ‚nur‘ Balladen oder ‚nur‘ Uptempo-Traditionelles wie Ray Nobles „Cherokee“, sondern lässt auch Popeinflüsse und eigene Stücke in das Programm der CD einfließen. Ganz mutig beginnt sie mit dem Titelstück „Travelin‘ Light“, einer Ballade aus der eigenen Feder, die sparsam instrumentiert und transparent strukturiert ist. Besonders anhörenswert finde ich ihre Interpretationen von „Someone To Watch Over Me“ oder Billie Holidays „Don’t Explain“, die absolut zeitlos klingen. Vor allem der kongeniale Begleiter Kevin Eubanks an der akustischen Gitarre verschafft der CD ein ganz besonderes Flair. Die eher poppigen Stücke dagegen wie Bill Withers‘ „Use Me“ klingen im Jahr 2005 etwas angestaubt – nicht vom Arrangement oder der Interpretation her, da gibt es nichts zu meckern – aber sowohl die Keyboardsounds als auch die mit Gate-Effekt versehene Snaredrum kann man klanglich genau in die erste Hälfte der 90er Jahre datieren. Bei den Popstücke neigt Gabrielle Goodman auch ein bißchen zum Overplay, sie hat eine große und großartige Stimme mit gewaltigem Stimmumfang und langem Atem, aber sie muss es uns nicht dauernd wieder vorführen. Durch Zurückhaltung und intimes Musizieren bekommen gerade die schlicht gehaltenen Balladen wie „Someone To Watch Over Me“ besondere Strahlkraft.

CD, 1993, 10 tracks, Label: Winter & Winter

Angela Ballhorn

01.02.2005